Lissabon – Portugal

„The Gap“, Mai 2003


Sabine Pawlik, 33, kommt aus Vorarlberg. Sie hat Toni Polster die Haare geschnitten, ging nach London-Islington und ist heute Miteigentümerin von WIP, Lissabons spektakulärstem In-Friseur, der internationales Publikum anzieht und überregional Furore macht. Martin Amanshauser sprach mit ihr.


Mit der Matsuzaki in Lissabon

Lissabon, Bairro Alto: Sabine Pawlik steht in der Morgensonne vor ihrem Laden. Der gelbe Straßenbahnwaggon des Elevador da Bica fährt scheppernd vorbei. Vor zwei Jahren hat die Hohenemserin den Friseursalon WIP („Work in Progress“) übernommen. Das WIP mit seinen Steinarkaden ist eine quirlige fröhliche Mischung aus Künstlern, Businessleuten und Expats. Hier gibts nicht nur Haarschnitte, sondern auch Wohnberatung, Internet und ausnahmsweise ein Bier von der Bar gegenüber.

Sabine, wolltest du schon als Kind Friseurin werden?

Eigentlich nie. Mein Vater hatte einen Laden in Feldkirch, dort hab ich Handtücher zusammengelegt. Mehr nicht. Aber da war eine Geschäftsführerin, total professionell. Plötzlich wollte ich so werden wie sie. Für mich war Haare schneiden immer ein Sport. Das schönste war, sich mit anderen zu messen. Gleich beim zweiten Preisfrisieren in Deutschland hab ich den 1. Platz gekriegt.

Also die große Karriere?

Zuerst gar nicht. Ich wollte damals in Vorarlberg leben und sterben. Dass ich die Meisterprüfung in Wien gemacht habe, war aber doch gut. In Wien ist Pawlik kein Name. Die Leute sind mir vorurteilslos entgegengetreten. Ich hab bei der „Gruppa Ultima“ angefangen, dann im eher hierarchischen System von „Bundy & Bundy“ gearbeitet, danach kreative Freiheit bei „Fortschnitt“ erlebt und ausgefallenere Schnitte erlernt. War alles wichtig.

Wer war dein lustigster Kunde?

Da gibt’s viele. Der Toni Polster war schon eine Herausforderung. Ein irrsinnig netter Kerl. Hat aber leider immer vorher ganz genau gewusst, welchen Schnitt er will. Oder vielleicht besser, welchen seine Frau will. Bei solchen Kunden hat man wenig Gestaltungsmöglichkeit.

Später bist du nach London gegangen.

Ich war einige Jahre in London-Islington. Dann hab ich mir überlegt, ob ich diese Art von Karriere wirklich möchte. Schließlich hab ich mich für Lissabon entschieden. Das WIP gehörte damals einem Iren. Nach einem Jahr ging der nach Dublin, und seither schmeißen ich, Birgit aus Bremen und Gaby aus Amiens den Laden. Zu uns kommen viele Einheimische, aber auch Touristen, die meisten mit Voranmeldung. Für Lissabon sind unsere Preise eher hoch, international gesehen überhaupt nicht.

Was ist das besondere am WIP?

Wir sind einer von zwei In-Friseuren Lissabons, und wie wir glauben der bessere. Die Fotografin Patricia Almeida und der Künstler Herwig Turk erstellen unser Konzept. Hier im Bairro Alto sind wir Anlaufstelle, wir vermitteln Wohnungen, Zimmer und Sprachkurse. WIP soll mehr Kommunikationszentrum als Fashionecke sein. Es gibt gemeinsame Aktionen mit Theatergruppen, Fanzines oder dem Kunstmagazin „Umbigo“. Das Publikum ist schon eher urban. Zu uns kommen auch Männer, die jetzt nicht unbedingt mit dem klassischen Seitenscheitel raus müssen, oder Schauspielerinnen, die eine Theaterfrisur wollen. Beratung ist das allerwichtigste. Wir produzieren keinen Modewahnsinn. Wir wollen ja nicht Fashion Victims bedienen, das heißt, wir müssen wissen, was der Kunde beruflich tut, wie viel Zeit er für seine Haare hat, wir interessieren uns für seine Vorstellungen und Wünsche.

Durch die Internet-Terminals ist der Salon offener geworden. Kein normaler Friseur?

Wir sind schon ein normaler Friseur, mit Schneidebereich und Färbebereich. Nur haben wir eben viele Nationalitäten. Manchmal sind die Kunden überrascht, wenn wir sie gleich in der richtigen Sprache ansprechen. Aber den Briten erkennst du ja am Sockentyp und den Deutschen an der Art der Sonnenbrille.

Was kann ein guter Friseur?

Auf jeden Typ eingehen. Und er muss Haare schneiden können, und zwar so, dass die Haare natürlich fallen. Mit einer Rundbürste kann man aus jeder komischen Frisur kurzfristig was halbwegs brauchbares machen, deshalb herrscht bei uns sowas wie Rundbürstenverbot. Wenn eine Kundin nur Spitzen schneiden und absolut nichts an sich verändern will ... dann schick ich sie sofort zum Friseur an der Ecke, dort zahlt sie den halben Preis. Man muss ja nicht beim ersten Schnitt Revolutionen machen. Aber ein interessierter Kunde lässt sich schon beim zweiten oder dritten Mal auf etwas ein, sobald Vertrauen herrscht. Ich bin Professionalist und ich weiß, was den Leuten steht. Man muss sich zusammenreden und Kompromisse schließen. Das funktioniert bei 95%, die sind dann auch zufrieden. Außerdem benötigt ein guter Friseur eine gute Schere, von Kasho oder Matsuzaki. Schon die billigste Matsuzaki schneidet ganz exakt und gerade. Einmal im Jahr, während meines Urlaubs, schicke ich die Schere nach Japan ins Werk. Dort wird sie geschliffen und kommt rundum erneuert nach Lissabon zurück. Die Matsuzaki schiebt die Haare nicht vor sich her, sie schneidet scharf und exakt wie durch Butter. Meine kostet 240 Euro, oje, ich möchte ja eh die um 500 haben!

Sind die Arbeitsbedingungen hier lockerer?

Lissabon ist eine Stadt mit hoher Lebensqualität, aber Unpünktlichkeit ist schon ein portugiesisches Problem. Ich hab die Kunden zu erziehen begonnen. Bei mehr als 15 Minuten Verspätung wird nicht geschnitten. Von den Angestellten hab ich auch die wunderbarsten Ausreden gehört, die Wohnung war zu kalt, drum bin ich nicht aus dem Bett gekommen und so. Aber im Großen und Ganzen gefällt mir die Mentalität. Manchmal kommt die Vorarlbergerin in mir durch. Ein Kunde hat neulich gesagt, das Handyverbot und das Rauchverbot im Laden, beides gemeinsam, das ist schon sehr germanisch.


WIP - Work in Progress, Rua da Bica Duarte Belo 47/49, P-1200 Lisboa, Tel/Fax 00351-213461486, Preise: Frauen 32 EUR (komplette Veränderung 37), Männer 27 (32), inklusive Waschen, Produkte, Massage mit ätherischem Öl, Schnitt und Styling; keine Dauerwellen; Färbung (zwischen 15 und 50 EUR); cut@hairport.info, www.hairport.info