Martin Amanshauser

Zimbabwe 2010

Man kann wieder nach Zimbabwe, auch wenn Diktator Mugabe noch regiert. Von Wasserfällen, großen Steinbrocken und Elefanten, die in der Nacht glitzern.

In Harare blühen die Jacarandas. Es ist eine lebendige Stadt, zumindest bis Sonnenuntergang. Um 20 Uhr wird jegliche Aktivität in die Privathäuser verbannt, als wäre da ein nicht offiziell ausgesprochener Curfew. Besucher ziehen sich zurück in die Lokalitäten des ersten Hotels am Platz, ins koloniale Meikles, und nehmen dort „High Tea“ oder Zambezi-Bier zu sich. Für die meisten ist Harare ohnehin nur eine Durchgangsstation – auf dem Weg in ein wildes, schönes Land mit netten, gastfreundlichen Bewohnern. Die Frage ist nur, wie und ob sich die Slogans der Tourismus-Werbung mit der Realität in Einklang bringen lassen.

Noch vor einem Jahrzehnt war Zimbabwe eine solide Safari-Destination. Bis die von Diktator Mugabe hervorgerufene Krise den Fremdenverkehr zum Erliegen brachte. 2008 wurde in Zimbabwe mit 500 Milliarden Prozent die höchste Inflation gemessen, die es weltweit irgendwo irgendwann gab – Symbol dafür wurde der 100-Trillionen-Schein Zimbabwe-Dollar, der heute auf Harares Straßen als Kuriosität billig zu erwerben ist, auf dem auch die Zahl steht: 100 000 000 000 000. Die Inflation blies nicht nur alle Ersparnisse davon, sie führte auch zum gesellschaftlichen Kollaps: staatliche Krankenhäuser und Schulen schlossen.

Unterdessen hat sich zumindest die wirtschaftliche Lage in der südafrikanischen „Republik“ halbwegs normalisiert. Neue Währung ist der US-Dollar. Die Opposition wurde an der Regierung beteiligt, obwohl Beobachter nicht ganz daran glauben, dass der Diktator in dieser „Einheitsregierung“ tatsächlich die Macht teilt. Zimbabwe ist laut UN-Daten weiterhin das ärmste von 183 Ländern. Und es gehört gemeinsam mit Sambia und Kongo zu jenen weltweit drei Staaten, die bei Gesundheit, Einkommen und Bildung schlechter dastehen als vor vierzig Jahren. Doch jetzt kommen wieder Touristen – sie sind die einzige Möglichkeit, damit trotz der kleptokratischen Politik, mit deren Hilfe sich wenige bereichern, Normalität einkehrt und ein Zipfelchen Wohlstand eines Tages auch das rurale Zimbabwe erreicht.

Das Städtchen Victoria Falls, kurz Vic Falls genannt, ist weit vom politischen Parkett des Landes entfernt, am anderen Ende des Landes, 700 Kilometer von der Hauptstadt. Von der Terrasse der Safari-Lodge aus sieht man die Lichter von Livingstone blinken, der einzigen größeren Stadt der Region – allerdings in Sambia drüben. Ein paar hundert Meter unterhalb der Lodge wird eines der schönsten Wasserlöcher der Region beleuchtet. Auch mit freiem Auge sind die glatten grauweißen Rücken der Afrikanischen Elefanten (die mit den Wedelohren) erkennbar, die in der Trockenzeit jede Nacht vorbeischauen. Eine Riesenherde, die eine kurze Zeit der täglich fast 20 Stunden, die sie der Ernährung zuteilen, dem Trinken widmet. Im Wasser glitzern die Spiegelbilder ihrer Körper. „Apparently the lions are away“, sagt mit aufgerisssenen Augen und breitem Kiefer ein US-Tourist: Während der Tierbeobachtung ist die Menschenbeobachtung immer die zweite interessante Disziplin.

Doch die Safari-Lodge kümmert sich nicht nur um wilde Elefanten. Auf der anderen Seite des Anwesens findet allabendlich „The Boma“ statt, ein traditionelles Festmahl im African Style. Wem das Grillbuffet und die Eisenplattenküche zu normal ist, der kann hier Impala Pastete, Krokodilschwanzscheibchen oder großartiges Warzenschweinsteak zu sich nehmen. Ob das alles vom Artenschutz her so grandios ist, bleibt dahingestellt, führt aber letztlich nur zur Debatte, inwieweit ein sehr armes Land seine natürlichen Ressourcen ausbeuten darf, um zu bestehen. Bei „The Boma“ sorgt auch eine Band für Untermalung, Shangaan und Ndebele sind die lokalen Tanz- und Singstile, es wird heftig getrommelt, und am Ende kriegen die meisten der 200 Besucher eine Trommel hingeschoben. Die chinesischen Gruppen bleiben da eher reserviert. Ein Tourist aus China fragt irritiert: „Warum trommeln sie denn im Grunde, was bezwecken sie damit?“ Ratlosigkeit, Nachdenklichkeit. „Gaben sie einander früher Zeichen von Dorf zu Dorf?“

Vic Falls ist das Synonym für „activities“. Jeder fragt, welche man für heute auf seiner Liste stehen hat, Faulenzen gilt zumindest für die lokalen Veranstalter nicht. Ein Bungee-Jump in die Schlucht? Weißwasser-Rafting? Elefantenreiten? Löwenstreicheln? Heilcopter-Trip? Auf keinen Fall darf man die Sonnenuntergangs-Schiffstour (mit Hippo-Sichtungs-Garantie) versäumen! Hauptattraktion sind jedoch immer noch die grandiosen Wasserfälle. Der gemütliche Zambezi-Fluss hat sich seinen Weg über 1.300 Kilometer bis zu dieser Stelle gebahnt, und nach den Vic Falls fließt er weitere 1.700 Kilometer zu seiner Mündung in den Indischen Ozean. Sein außerordentlichster Ort ist hier: entlang einer Felsscheide krachen die Wassermassen, plötzlich grünweiße Färbung annehmend, mit voller Wucht in die Schlucht. 107 Meter an der höchsten Fallstelle, 75 Meter immerhin noch beim Devil´s Fall, dem dicksten Ausguss.

Aus der Schlucht erheben sich Gischtwolken, steigen über die vielfältigen Regenbögen nach oben und haben dort, wo die Besucher den Wasserfall auf 1,8 Kilometern beobachten können, einen Mini-Regenwald entstehen lassen. Unter dieser ewig leichten Sprühbrause leben Buschböcke, weiß-graue Südliche Grünmeerkatzen, und Zebramangusten, die wie fette, gestreifte Wiesel aussehen.

Wenige Autostunden entfernt befindet sich das größte Naturreservat des Landes, der Hwange Nationalpark, der fast noch zur Kalahari gehört. Er ist so groß wie Irland oder Kalifornien, und die Elefantenpopulation beträgt laut Schätzungen um die 30.000. Ein Game Drive ist daher unweigerlich von Erfolg gekrönt. Büffel, Kudus, Antilopen, Warzenschweine, Krokodile, Giraffen, Adlereulen, Wasserböcke, Impalas, Gnus, Zebras, gelegentlich Löwen. Kurioserweise hat die Mugabekrise nicht geschadet, weil zeitgleich eine Weltwirtschaftskrise stattfand. „Zimbabwe ist heute eine leistbarere Destination“, erklärt ein Inder mit protzigem Feldstecher, „die Krise hat Botswana, Südafrika oder Sambia teurer gemacht.“

Bulawayo, ganz weich „Blauaio“ ausgesprochen, zweitgrößte Stadt des Landes, wirkt auf ihre Art urbaner als Harare, lockerer, hat Nachtleben im weitläufigen kolonialen Zentrum. Der ehemalige britische Club, gegründet 1895, ist heute ein Hotel, und auf seiner Terrasse im 2. Stock kann man sich selbst kolonialen Päckchentee zubereiten. Von Bulawayo gelangt man in den kleinen Matobo-Nationalpark, keine halbe Stunde südlich. Die Matobo-Berge schließen an den Matobo-Nationalpark an, wo das Camp Amalinda mit der höchsten Leopardendichte, der höchsten Adlerdichte, der größten Baumvielfalt, und der größten Vielfalt an Höhlenmalerei wirbt.

Es ist eine Felsenlandschaft auf Granitboden („Boulders“, atemberaubend glattschroffe Rundfelsen), an deren höchster Stelle Cecil Rhodes (1853-1902) inmitten eines natürlichen Mini-Stonehenge begraben liegt. Der Namensgeber „Rhodesiens“, der ehemaligen britischen Kolonie, aus deren Südteil erst 1980 Zimbabwe entstand, bekennender Imperialist für die anglo-amerikanische Sache und rassistischer Alleinherrscher, ist bei vielen Einheimischen hundert Jahre nach seinem Tod nicht völlig in Misskredit. „Immer noch besser als Mugabe“, hört man hinter vorgehaltener Hand. Was Rhodes und Mugabe verbindet, ist die Tendenz zur persönlichen Bereicherung. Ersterer wurde durch Gold- und Diamantenhandel zu einem der reichsten Männer der Welt, zweiterer hat die Zeiten, als er ein ambitionierter Sozialist war, bequem hinter sich gelassen und verfügt (laut jüngsten Wikileaks-Enthüllungen) längst über seine Privat-Diamantenmine, begeht Menschenrechtsverletzungen am laufenden Band und hat EU-Einreiseverbot.

Zwischen diesen verwitterten Steinen – als hätte in Urzeiten eine Riese einen Felsen auf den anderen gelegt – liegt Cecil Rhodes, der den Ort „Ausblick der Welt“ nannte. Sein letzter Wille, den er voller Misstrauen aufzeichnete, wurde vollständig erfüllt: „I desire to be buried (…) in a square to be cut in the rock on the top of the hill covered with a plain brass plate with there words thereon: Here lie the remains of Cecil John Rhodes.” Bis heute wird der Ort unreflektiert und ohne jegliche historische Erklärung in Ehren gehalten.

Namensgebend für Zimbabwe, das in der Shona-Sprache „Haus aus Stein“ bedeutet, ist „Great Zimbabwe“, das Zentrum eines untergegangenen Reichs. Oben auf einem Granithügel dienten die Boulders bis etwa 1450 als Schutz für die einheimischen Könige. Nach den Pyramiden gilt die Anlage als zweitwichtigster historischer Ort Afrikas. 1875 waren sie vom deutschen Afrikaforscher Karl Mauch entdeckt worden, der sie zunächst für das mythische Land Ophir hielt, aus dem König Salomon von Israel sein Gold geholt haben soll. Die Theorie war unter Cecil Rhodes sogar Staatsideologie, hielt aber nicht.

Der Weg auf den Hügel Great Zimbabwe, durch archäologische Befunde später endgültig als schwarzafrikanisches Shona-Heiligtum identifiziert, ist ein Spaziergang für die Morgenstunden, vor der großen Hitze. Im kleinen Museum findet man archäologische besonderheiten, so etwa den vierfüßigen „legendary pot“, gefunden 1900 von Harry Posselt. Wer in diesem Gefäß kochte – hieß es – wurde krank, starb oder sein Kopf war eines Morgens verblüffenderweise rasiert, ohne dass ihn jemand berührt hatte.


Veranstalter/Info: Colleta Beichtmann, Zimbabwe Tourist Office Frankfurt, Hochstr. 17, D-60313 Frankfurt, Tel.: +49-69-21995413 / 9207730, info@zimbabwe-tourism.de

Flug: Mit Air Zimbabwe, www.airzimbabwe.aero, oder mit Etiopian Airlines über Addis Abeba mit inkludierter Übernachtung am Rückflug, www.ethiopianairlines.com

Unterkunft:

Hotel Meikles, Jason Moyo Avenue, gehört zu „Leading Hotels of the World“, direkte Reservierungen: +263 4 250550, Harare, www.meikles.com

Victoria Falls Safari Lodge, saflodge@saflodge.co.zw, www.vfsl.com

Bulawayo Club, Corner 8th Avenue and Fort Street, Bulawayo, www.bulawayoclub.com

Camp Amalinda, Hillside, Bulawayo, Zimbabwe, Central Reservations, +2 63 9 64868/9, +263 712 215904, info@amalindacollection.co.zw, www.campamalinda.com

The Hide im Hwange Nationalpark, bookings@thehide.co.zw, www.thehide.com